Haushaltsrede der Wählergemeinschaft Porta 20.12.2021

Haushaltsrede der Wählergemeinschaft Porta
– es gilt das gesprochene Wort –
20.12.2021

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
verehrte Damen und Herren des Rates,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich halte heute meine erste Haushaltsrede als stellv. Fraktionsvorsitzender, es ist zugleich die zweite Haushaltsrede der Wählergemeinschaft Porta hier im Rat. Im letzten Jahr stand hier an meiner Stelle der Fraktionsvorsitzende Dr. Friedrich Hillbrand. Es gehört zum politischen Selbstverständnis der WP, dass wir zu bestimmten Anlässen die Rollen innerhalb der Fraktion tauschen.

Ich möchte zum eigentlichen Anlass des Tages kommen und somit zur Verabschiedung des Haushaltentwurfs 2022 der Stadt Porta Westfalica. Und um es gleich vorwegzunehmen, wir als WP-Fraktion haben es uns mit einer abschließenden Bewertung zum vorliegenden Haushaltsentwurf nicht leicht gemacht, auch wenn wir eigentlich gemeinsam Grund zur Freude gehabt hätten. Der vorliegende Haushalt 2022 ist der erste, der nicht mehr der Genehmigung der Aufsichtsbehörden unterliegt. Wir haben unsere Eigenständigkeit in der Haushaltsführung
wiedergewonnen, zugleich aber wächst damit auch unsere gemeinsame haushaltäre Verantwortung.

Die Eckdaten des Haushaltes liegen uns vor, ich brauche sie von hier aus nicht noch einmal referieren. Die aktuell geführte Debatte macht aber bereits deutlich, dass es erkennbare Unterschiede in der abschließenden Bewertung des vorliegenden Haushaltsentwurfs sowie des dazugehörigen Stellenplans gibt. So wird mit Blick auf den Stellenplan von einigen Fraktionen insbesondere kritisiert, dass wir im Rahmen unserer wiedergewonnenen Handlungsfreiheit erneut Gefahr laufen, dass wir wieder über unsere Verhältnisse leben.

Nun ist es nicht so, dass wir als Wählergemeinschaft nicht auch verantwortungsvoll mit den uns anvertrauten Steuergeldern umgehen wollen. Auch für uns gilt, dass nicht mehr Ressourcen verbraucht als erwirtschaftet werden.

Als WP-Fraktion haben wir im Rahmen der Beratungen zum Stellenplanentwurf bereits den Mehrbedarf im Bereich „Baumpflege und Baumkontrolle“ kritisiert, weil nach unserer Auffassung nicht hinreichend geprüft wurde, ob mit der Anwendung zukunftsweisender digitaler Technologien nicht andere Wege hätten beschritten werden können. Darüber hinaus haben wir Kompensationsvorschläge für den Personalmehrbedarf eingefordert, die mittlerweile in Teilen vorliegen. Aber, um es an dieser Stelle klar zum Ausdruck zu bringen, uns als Wählergemeinschaft geht es deutlich um mehr. Es geht nicht nur um punktuelle Mehrbedarfe an der einen oder anderen Stelle. Eine punktuelle Bewilligung oder Nichtbewilligung einzelner Stellen ist für uns noch kein Gesamtkonzept für eine moderne und zeitgemäß aufgestellte Verwaltung, die sich an den Aufgaben unserer Zeit orientieren sollte.

Wir als WP-Fraktion haben daher bereits sehr früh die Fortschreibung einer systematischen Personal – und Organisationsentwicklung eingefordert, um die gegenwärtigen Verwaltungsstrukturen insgesamt auf den Prüfstand zu stellen. Es geht um eine grundlegende Aufgabenanalyse und -kritik aller kommunalen Aufgaben. Welche Tätigkeiten müssen vor dem Hintergrund des Aufgabenwandels in welcher Art und Weise erfüllt werden? Auf welche Aufgaben kann zukünftig im Rahmen einer Aufgabenkritik verzichtet werden bzw. welche sind disponibel, welche können von Dritten geleistet werden? Damit geht es zugleich auch um potenzielle Einsparungen, damit neue bzw. andere notwendige Aufgaben übernommen
werden können.

Es geht aber auch und gerade um interne Verwaltungsabläufe, Zuschnitte und Schnittstellen, damit möglichst effizient und zielgerichtet gearbeitet werden kann. Zentrale Arbeitsabläufe sollten hinsichtlich ihrer Optimierungspotenziale untersucht und bei Bedarf vereinfacht werden, damit – um ein Beispiel zu nennen – bestimmte Aufgabenerledigungen nicht unnötig parallel bearbeitet werden.

Unbestritten ist, dass der gesellschaftliche, technologische und demografische Wandel, die Sicherung der Daseinsfürsorge sowie differenzierter und zugleich komplexer werdende Erwartungshaltungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie der politisch Verantwortlichen die Verwaltung vor immer größer werdende Herausforderungen stellt.

Das vorläufige Fazit lautet: Insgesamt muss die Verwaltung mit immer weniger Ressourcen immer schneller immer bessere Ergebnisse erzielen. Das kann bei gleichbleibenden Strukturen, Kompetenzen und Technologien nach unserer Auffassung auf Dauer nicht gelingen.
Wenn wir heute als Wählergemeinschaft eine zeitgemäße Personal- und Organisationsentwicklung einfordern und sie auf die Agenda politischen Handelns stellen, geht es uns an dieser Stelle nicht um eine pauschale Kritik an der Verwaltung, sondern es geht um eine systematische Evaluation und Nachjustierung der Steuerungssysteme und der damit einhergehenden notwendigen Ressourcen. Hier sollte eine von außen professionell begleitete Personal- und Organisationsentwicklung vor allem als Chance begriffen werden, um auf die heutigen Herausforderungen effizient, transparent, bürgerfreundlich und in hoher Qualität reagieren zu können und um die Grundsätze einer soliden städtischen Finanzpolitik nicht wieder aus dem Blick zu verlieren. Solide Finanzen sind die Grundlage für eine gedeihliche Stadtentwicklung!

In diesem Zusammenhang möchte ich auch Sie, – Frau Bürgermeisterin – direkt ansprechen. Ich glaube, ich darf dies tun, da ich auch über viele Jahre lang eine große Zweckverbandseinrichtung mit weit über 200 festangestellten Beschäftigten geleitet habe. Sie Frau Dr. Gerlach sind angetreten, unsere Stadt zukunftsfähig zu machen. Dies gilt insbesondere auch für die Verwaltung. Aufbruch in eine neue Zeit braucht Begeisterung für die Sache, die Sie unbestritten haben. Aber es bedarf auch einer grundlegenden Empathie, vor allem dann, wenn es darum geht,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen und sie für eine Aufgabe zu gewinnen. Vor allem aber gilt es, gemeinsam sprachfähig zu bleiben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
insgesamt birgt der heutige Haushaltsentwurf trotz zunächst guter Aussichten für die kommenden Jahre auch erhebliche Risiken. Wir wissen heute noch nicht, wie sich letztendlich die Coronapandemie auf die Entwicklung der Steuereinnahmen auswirken wird, ganz zu schweigen von den Kostensteigerungen im Bereich der Schulbauten.

Aktuell zeichnen sich bei fast allen Bauprojekten gravierende Preissteigerungen ab, die die bisherigen Planungen in Frage stellen. Welche Konsequenzen dies letztendlich haben wird, z. B. bei der Sanierung, Erweiterung oder bei einem möglichen Neubau der Grundschule Neesen, lässt sich heute noch nicht bilanzieren.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch kurz das Thema Vergabeverfahren ansprechen. Die Stadtverwaltung hat bei vielen Vergabeverfahren, insbesondere bei größeren Baumaßnahmen externes Wissen von Experten in Anspruch genommen. Wie hoch waren eigentlich die Kosten in den letzten Jahren für diese externen Beratungsleistungen und was hätte eine entsprechende städtische Fachkraft für Vergabe- und Baurecht leisten können? Hier kommt dem Controlling eine wesentliche Bedeutung zu, um auf den unterschiedlichen Entscheidungsebenen die dafür notwendige Transparenz herstellen zu können.

Als Ausschussvorsitzender für Bildung, Soziales, Sport und Kultur erlauben sie mir an dieser Stelle noch auf einen anderen Aspekt hinzuweisen. Wir wissen alle, dass wir vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab dem Schuljahr 2026/27 zeitnah damit einhergehende räumliche Bedarfe an unseren Grundschulstandorten prüfen müssen. Aber es geht nicht allein darum. Neue gesellschaftliche Anforderungen an die Schulentwicklung führen zu einer erweiterten Verantwortung der Kommunen im Bildungsbereich. Schule muss zukünftig nicht nur räumlich gedacht werden, sondern es geht auch und gerade um zeitgemäße pädagogische Anforderungen. Auch hier sind wir wieder beim Thema, inwieweit die Verwaltung durch zusätzliche Stellen gestärkt werden muss, um diesen inhaltlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Zu den strategischen Anforderungen gehört auch der Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit. Auch hier geht es darum, Aufgaben der Daseinsfürsorge zu optimieren und effizienter zu gestalten, dies kann auch und gerade durch die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen geschehen. Dabei geht es allein nicht nur um Fragen der Wirtschaftlichkeit, sondern vielmehr auch um die langfristige Sicherstellung der eigenen Aufgabenerfüllungspflichten. Vielleicht sollten wir dabei klein anfangen, z.B. wenn es um die Zukunftsfähigkeit der Musikschule und Stadtbibliothek geht.

Auch wenn ich bereits viel über Personal und Kosten gesprochen haben, erlauben Sie mir an dieser Stelle noch kurz eine Anmerkung zum Artikel des Mindener Tageblatts vom letzten Freitag „Millionen für den Ruhestand“. Dass Versorgungsleistungen für Ruheständler im Beamtenbereich gezahlt werden – auch an deren Hinterbliebene – ist eigentlich keine Meldung wert, schließlich regelt dies das Beamtenrecht. Statt der einfachen Feststellung hätte die Frage eigentlich lauten müssen, wieviel Beamte braucht eine Stadt? Summiert man z.B. die jährlichen Aufwendungen der öffentlichen Haushalte für Angestellte und Beamte in ihrer aktiven Zeit und im Ruhestand, so zeigt sich, dass sowohl im höheren Dienst als auch im mittleren Dienst die Ausgaben für Beamte höher sind als für Angestellte. Es stellt sich somit auch für die Politik die Frage, welche hoheitlichen Befugnisse kommunal gesehen zwingend von Beamtinnen und Beamten ausgeübt werden und welche nicht. Mit Blick auf unsere Haushaltslage lohnt es sich, auch an den kleinen Stellschrauben zu drehen.

Es gäbe sicher noch viele andere Themen, ich will es bei kurzen Stichworten belassen. Es geht nach 10 Jahren Stillstand um die zügige Weiterentwicklung des Kaiserhof-Areals, an anderer Stelle um den eingeleiteten ISEK-Prozess für das Quartier „Georg-Rost-Straße, das Wohnquartier braucht dringend einen stadtplanerischen, sozialverträglichen und integrativen Neustart und es geht um die Umsetzung eines nachhaltigen touristischen Gesamtkonzepts rund um den Wittekindsberg.

Wenn wir es gemeinsam schaffen, unsere Stadt tatsächlich auf den Stand der Technik zu bringen, die Verwaltung digital zu organisieren, unsere Infrastruktur zu modernisieren und den ewig versprochenen Ausbau der Netze voranzubringen, dann haben wir gemeinsam viel für die Menschen dieser Stadt erreicht.

An dieser Stelle möchte ich mich bereits bei allen Kolleginnen und Kollegen im Rat
und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

insgesamt erreicht der heute zur Abstimmung gestellte Haushaltsentwurf die finanzpolitischen Mindestziele. Das negative Jahresergebnis kann durch die Rücklage ausgeglichen werden. Was uns als Wählergemeinschaft fehlt, ist der Gestaltungswille. Wir wollen u.a. einen konsequenten und nachhaltigen Einstieg in die Digitalisierung auf allen Ebenen. Wir fordern eine zeitgemäße Personal- und Organisationsentwicklung, um vor dem Hintergrund des Aufgabenwandels Qualitätsstandards für sämtliche Arbeitsbereiche der Verwaltung zu erstellen sowie um einen genauen Personalbedarf zu ermitteln. Darüber hinaus sehen wir verschiedene Handlungs- und Konkretisierungsbedarfe in den von uns angesprochenen Handlungsfeldern. Wir werden als Wählergemeinschaft dem Haushalt 2022 daher in dieser Form nicht zustimmen. Mit der Ablehnung wollen wir ein deutliches Zeichen setzen, das dringend ein Umdenken stattfinden muss.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Dietmar Lehmann
Stellv. Fraktionsvorsitzender

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